Daniela Wolf
Wenn der Mensch auf die Hände fiele, als Vierfüßler ginge, sich sein Fell stehen ließe und heulte, so wäre evolutionär ein bedeutender Schritt getan. Wieviel besser wäre der Wilde, der Zornige, der Abgehängte, der Erniedrigte und Beleidigte dann. Keine Hatespeech, keine Hände frei für Waffen oder Besitz an sich zu raffen. Ein tropfendes Maul hätte er, nicht seine Nächsten zu fressen, sondern sie mit zurückgewürgter Nahrung zu versorgen. So wäre er endlich kein Gefährder mehr und bewegte sich völlig unschuldig, frei über alle Grenzen hinweg und wäre reinen Herzens.
Wolfgang ist ein Stück für eine Sprecherin, einen Dirigenten, einen Musiker und Trucker, einen Chor, fünf bis sechs Tänzer*innen und ein Kind. Als Wolfsrudel kehren sie in ein Europa zurück, aus dem sie für lange Zeit vertrieben waren. Als Wölfe erinnern sie an ein kulturelles Gedächtnis des Wilden und Bösen. An die Grenzen zwischen Mensch und Wolf, zwischen Mensch und Mensch und zwischen Publikum und Theater.
Der Wolf dringt als die andere Perspektive, die die versiegelte Oberfläche eines artifiziell durchkomponierten urbanen Gefüges durchstößt, ein. So verhandelt Wolfgang die Frage nach dem Einzelnen, dem Fremden als Gegensatz und andererseits Teil des Menschen, als seine Kolonie und zugleich Möglichkeit einer anderen Ordnung.
Wolfgang setzt auf das Prinzip einer beharrlichen Transformation, ist eine theatrale Grenzüberschreitung, eine Spiegelung, ein Aufruf zum Menschsein und eine tänzerische Vierbeinerkundung.
Dauer: 90 Min
Sprache: Deutsch / Englisch
mit Tastführung und Audiodeskription via Kopfhörer für blindes und sehbehindertes Publikum.
If man fell to his hands, walked as a quadruped, let his fur grow and howled, evolution would have taken a significant step. How much better would the wild one, the angry one, the discarded one, the humiliated one, and the offended one be? No hate speech, no hands free for weapons or possessions to grab. He would have a mouth that salivates, not to eat his neighbour, but to supply them with choked back food. So he would finally no longer be a threat and become completely innocent, moving freely across all boundaries pure of heart.
A piece for a speaker, a conductor, a musician and trucker, a choir, five to six dancers and a child. As wolves, they dance back to Europe, from which they were expelled for a long time. Territorialization, whether cartographic, biologically determined by evolution or just in the mind, is an incisive process. backsteinhaus produktion spotlights this process and follows it until the limit of their own possibilities. While howling, the wolves drag down the barriers of our thinking and rip at the image of the stranger, the intruder and the frightener. They leave the wall behind in danger of collapsing and show us how peaceful social interaction can be lived safely and harmoniously.
Teil der internationalen Gastspielreihe Split + Merge von PATHOS theater und HochX.
backsteinhaus produktion ist eine Stuttgarter Kompanie, die seit 2008 interdisziplinär und ausgehend von zeitgenössischem Tanz arbeitet. Mit dem Theater Rampe Stuttgart kooperierte backsteinhaus von 2016 bis 2023. So entstanden neue Kollaborationen und Verbindungen zu überregionalen und internationalen Partner*innen.
Die künstlerische Arbeit befasst sich inhaltlich mit aktuellen gesellschaftspolitischen und sozialen Diskursen und verhandelt Themen aus einer eurozentrisch-kritischen und queerfeministischen Perspektive. Tanz interessiert das Team als entstilisierte, sich immer neu definierende Sprache.
Gefördert durch den Landesverband Freie Tanz- und Theaterschaffende Baden-Württemberg e.V., dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg sowie von der Stadt Stuttgart.